Sonntag, 1. Februar 2015

Reise nach Potosí und Sucre

Da wir zu unserem Zwischenseminar ins 12 Stunden entfernte Sucre reisen mussten, entschieden wir uns, davor noch zwei Tage in der nahegelegenen Stadt Potosí zu verbringen. 
 
Potosí, für Einige Reichtum für Andere das Tor zur Hölle
Da ich bevor ich den ersten bolivianischen Reiseführer in der Hand hielt weder im Geschichts- noch Spanischunterricht von Potosí und den Silberminen gehört hatte, die Geschichte dieser Stadt aber sehr interssant ist, vorab ein paar allgemeine Infos:

im Hintergrund der Cerro Rico
Über Jahrhunderte war Potosí die reichste Stadt der Welt. Den Reichtum verdankte die Stadt dem 4800 Meter hohen Cerro Rico, dem „Reichen Berg“, der die Stadt überragt und einst voller Silberadern war. Gegründet wurde die Stadt 1545, kurz nachdem erstmals Silber gefunden wurde. Sobald die Spanier davon erfahren hatten, begann die Ausbeutung des Berges und es wurden ganze Dorfschaften gezwungen in den Bergstollen zu arbeiten. Dabei half den Spaniern das inkaische System der mita, nachdem jeder Untertan einen Arbeitsdienst zu leisten hatte. Die Dörfer wurden verpflichtet jedes Jahr 13.500 Männer für die Arbeit in den Minen zur Verfügung zu stellen. Innerhalb weniger Jahrzehnte wuchs Potosí zur größten Stadt des amerikanischen Doppelkontintents heran. 1650 lebten dort 160.000 Menschen – mehr als damals in Madrid, Rom oder Paris. Drei Jahrhunderte lang füllte der Reichtum des Cerro Ricos die Staatskassen Spaniens, bis heute gilt Potosí als „die Stadt, die der Welt am meisten gegeben hat“ – nämlich insgesamt 60.000 Tonnen Silber. Für die Indígena war Potosí dagegen der „Eingang zur Hölle“. Nur mit Hilfe des Kauens von Coca war die Arbeit überhaupt zu bewältigen und bis ins 18. Jh. starben mehr als 8 Millionen Menschen in den Minen. Die Spanier versuchten auch, afrikanische Sklaven in den Minen einzusetzen, diese konnten sich jedoch nicht an die Höhe anpassen und wurden daraufhin auf Plantagen in den Yungas verfrachtet.
Im 18. Jahrhundert waren die Silbervorkommen des Berges weitgehend ausgebeutet, die Umgebung durch das eingesetzte Quecksilber verseucht und Potosí versank in der Bedeutungslosigkeit.
Auch wenn sich der Abbau der wenig verbliebenen Silber- und Zinnadern inzwischen kaum noch lohnt arbeiten heutzutage immer noch Tausende unter katastrophalen Bedingungen in den Minen.  An den Arbeitsmethoden hat sich im Laufe der Jahrhunderte kaum etwas verändert. So wie früher werden auch heute noch in Handarbeit und mit Dynamit Stollen in den Berg getrieben, und bis heute kauen die Arbeiter unentwegt Cocablätter, um die harte Arbeit durchhalten zu können. 

das koloniale Zentrum stammt noch aus der Blütezeit der Stadt
In dieser Stadt also kamen wir nach nächtlicher Busfahrt am frühen Morgen des 15. Januars an. Nach einem sich ewig ziehenden Fußmarsch vom Terminal ins Zentrum war erst einmal ein ordentliches Frühstück nötig, bevor wir das koloniale Stadtzentrum erkundeten und das Casa de la Moneda (Haus der Münzen) besuchten, wo einst das Silber aus den Minen zu Münzen geprägt wurde. 

Nachmittags fuhren wir zum Oja del Inca (Auge des Incas), einer nahegelegene heißen Quelle zum Baden. Da ich mich irgendwie nur auf eine schön warme Woche in Sucre eingestellt hatte und nicht realisiert hatte, dass Potosí auf 4500 Metern liegt und es dementsprechend nicht unbedingt ganz so warm ist, kam mir das Baden im angenehm warmen Wasser gerade recht.

Am nächsten Tag stand dann der Besuch der Minen an. Nachdem wir von Kopf bis Fuß in quietschgelber Schutzkleidung stecken, hielten wir erst auf dem „Mercado Minero“, wo wir als Mitbringsel für die Minenarbeiter Coca, Saft und Dynamit kauften. Danach fuhren wir an immer ärmer werdenden Häusern hinauf zum Cerro Rico, zu einem der vielen Eingänge zu den Minen.
Wir betraten die Mine und sofort wurde mir klar, dass dies nicht vergleichbar sein sollte mit dem Besuch eines deutschen Salzbergwerkes den ich noch in Erinnerung hatte. In den Minen war es dunkel, eng und stank nach Schwefel. Es war schwer zu atmen und wir mussten gebückt gehen, teilweise kriechen. Die „Abstützungen“ zu sehen die es teilweise gab war auch nicht gerade beruhigend, ich hoffte nur, heil wieder rauszukommen.
Die Tour begann bei dem „Tio“, einem Gott der aus dem Glauben der Indígenas stammt, und trotz Christianisierung noch heute für die Minenarbeiter sehr wichtig ist und durch Opfergaben (Zigaretten, Alkohol, Coca) milde gestimmt wird. 
der "Tio"
Von dort krochen/ stapften wir weiter durch den Berg, vorbei an alten Karren zum Transport des Gesteins und passierten Stollen, die aus einem anderen Jahrhundert zu sein schienen. Da Samstagnachmittag war, verließen nur noch ein paar einzelne Arbeiter die Stollen doch es sind immer noch Tausende die in den Minen arbeiten. Darunter auch viele Jugendliche (> 12 Jahre ) und die Geschichten die uns unser Guide über die Arbeiter und Arbeitsbedingungen erzählte waren erschreckend.
Ich war ehrlich gesagt ziemlich froh, als wir wieder aus den Minen draußen waren, nicht nur weil es bedrückend, eng und staubig war, sondern auch weil keiner wirklich sagen kann, wie stabil der Berg überhaupt noch ist.

Sucre
Nach einer dreistündigen Fahrt durch schöne Berglandschaft kamen wir Sonntagmittag in Sucre an. Die konstitutionelle Hauptstadt gilt zurecht als schönste Stadt des Landes, die Häuser im Zentrum sind mit ihren weißen Fassaden und roten Dächern ganz anders als die ungestrichenen Backsteinhäuser in La Paz und Sucre ist viel geordneter, ruhiger und sauberer. Irgendwie so gar nicht bolivianisch. Dort trafen wir dann auch die übrigen Freiwilligen (zumindest die 30 der Augustgruppe) aus Santa Cruz und Sucre und was sofort sichtbar wurde ist der Klimaunterschied des Landes: Wir aus La Paz genossen in kurzen Hosen und T-Shirts die Wärme während den Leuten aus Santa Cruz kalt war :D 
Zwischenseminar
Nachdem wir einen Tag lang Sucre erkunden konnten, ging es Montagmorgen zu unserem Seminarhaus, das ca. 10 Kilometer außerhalb der Stadt lag. Einmal abgesehen von der schönen Lage und dem guten Essen (kein Vergleich zum Vorbereitungsseminar  :D) war es unglaublich schön alle  wiederzusehen, sich auszutauschen und über Hoch und Tiefs des vergangenen halben Jahres zu reden. Ich fand es beispielsweise interessant (aber sehr schade) zu hören, dass die anderen Freiwilligen in methodistischen Kindergärten genau die gleichen Probleme wie ich hatten (bzw. haben) und dass der Ablauf dort genauso unstrukturiert und die Erzieher genauso unmotiviert und ohne Ausbildung sind wie ich es in La Paz erlebt habe.
Highlight der Woche war eine Wanderung zu den nahegelegenen Siete Cascadas (7 Wasserfällen) wo wir klettern und baden konnten sowie die Streichaktion am letzten Tag, wo wir auch die 25 Leute der Septembergruppe trafen, die ihr Seminar eine Woche nach uns hatten, um gemeinsam einen Spielplatz und ein Hausaufgabenzentrum zu streichen und einen Garten anzulegen sowie das Außengelände zu entmüllen. Nach diesem schönen Abschlusstag und einer recht langen Nacht in Sucre schliefen wir Sonntag erst einmal aus und genossen noch einen schön warmen Tag in einem der Parks in Sucre bevor es über Nacht wieder zurück nach La Paz ging.