Freitag, 6. Februar 2015

Meine neue Arbeit bei der Fundación La Paz

Seit dem Zwischenseminar habe ich eine wirklich interessante Einsatzstelle und die Arbeit dort macht mir sehr viel Spaß. Die Fundación La Paz hat mehrere Schwerpunktbereiche, der dem ich zugeordnet bin ist der gegen familiäre und sexuelle Gewalt. Diese Abteilung untergliedert sich in die Bereiche Therapie, Sensibilisierung & Prävention und Freizeitangebote für Jugendliche.

Ich arbeite vormittags im Bereich Sensibilisierung & Prävention  wo wir beispielsweise an Schulen und in Jugendzentrum gehen und Workshops durchführen. Dabei geht es vor allem darum, dass sich die Jugendlichen (meist zwischen 12 und 16 Jahren) bewusst werden, wann Gewalt beginnt, lernen  selbstbewusst aufzutreten, ihr Verhalten in verschiedenen Gruppen (Schule, Clique, Familie) zu reflektieren etc.
Dieser Arbeitsbereich ist zwar momentan noch nicht so interessant wie ich anfangs dachte, dies liegt aber daran, dass wir noch nicht an die Schulen gehen können, da das Schuljahr gerade erst angefangen hat. Da es in Bolivien einen Mangel an Schulen und Lehrern gibt, gibt es zwei Schichten, die Schüler gehen also entweder vormittags oder nachmittags in die Schule. Wir müssen momentan erst einmal eine Erhebung machen, in welchem Turno die Schüler jeder Schule sind mit denen wir arbeiten möchten oder im letzten Schuljahr gearbeitet haben. Als zweites Problem ergibt sich, dass in La Paz alle drei Jahre die Qualität der Schulen überprüft wird und an den Schulen die unterdurchschnittlich abschneiden wird der Schulleiter versetzt. Und naja, die Schulen in den Vierteln in denen wir arbeiten sind alle nicht besonders toll, deshalb werden die meisten der Schulleiter dort im März versetzt was es für uns ziemlich schwierig macht eine Jahresplanung aufzustellen wenn keiner sagen kann, ob der neue Schulleiter unser Programm unterstützen wird und weiterführen will.
Deshalb waren wir bisher nur an Jugendzentren, wo leider nicht so viele Jugendlich an den Workshops teilgenommen haben aber dafür waren die Gespräche im kleinen Kreis recht offen und sehr persönlich. Sobald das Programm für die Schulen erst einmal angelaufen ist wird die Arbeit glaube ich sehr spannend, da in jedem Workshop Leute mit ganz unterschiedlichen Geschichten sind und ich dabei viel über die hier vorherschenden familiären Strukturen und Probleme erfahre.

Nachmittags bzw. abends werden im Zentrum der Fundacíon verschiedene Aktivitäten angeboten. Es gibt zwei Bereiche einmal MUSARTA (Música, Arte, Talento) das sind Kurse wie Gitarrenunterricht, Rhythmus, Break Dance, Rap, Graffiti, Chocolateria, Selbstverteidigung, Capoeira etc. und dann gibt es noch die „Jóvenes Transformadores de Conflictos“ (Jugendliche die Konflikte beseitigen). Diese Gruppe trifft sich täglich zu Diskussionsrunden über für die Jugendlichen relevante Themen, veröffentlicht regelmäßige Newsletter und ist gerade dabei ihr eigenes online-Radioprogramm aufzubauen.
Bevor ich anfange eigene Kurse zu geben schaue ich mir momentan alle bestehenden Kurse an und unterstütze die Profes. Das ist ziemlich entspannt und es ist sehr schön erst einmal Zeit zu haben die Teilnehmer des Programms kennen zu lernen. Momentan bringe ich mich am meisten bei den Jóvenes Transformadores de Conflictos ein, da ich dort am meisten machen kann und mir die Arbeit mit den Jugendlichen, die nicht viel jünger sind als ich, sehr viel Spaß macht.
Aufbau für das Radioprogramm
Jeden zweiten Sonntag gehen wir beispielsweise auf eine Plaza in einem der abgelegeneren Viertel und machen dort 4 Stunden lang Radio, wobei viel Wert darauf gelegt wird, dass auch die Bevölkerung ihre Meinung bei den Diskussionen kund tun kann, und so interviewen wir beispielsweise Tiendabesitzer, Gelatineverkäufer oder Schuhputzer. Thema der letzten Sendung war „Grafiti – urbane Kunst oder Vandalismus“ was sich als sehr interessant erwiesen hat, da es irgendwann um den Vergleich von Grafittis der Jugendlichen und den politischen Plakatierungen der Parteien ging die hier an jeder zweiten Hauswand angekritzelt werden.
Ich habe bislang zwar nur an den Interview und bei der Begrüßung mitgemacht, weil mein spanisch doch noch nicht so gut ist, als dass ich mich spontan im Radio bei komplexen Diskussionen beteiligen kann, aber bis Ende des Jahres wird das hoffentlich.

Die Arbeit macht mir super viel Spaß, die Fundación hat ein Konzept das Hand und Fuß hat und vor allem der Austausch mit den Jugendlichen ist wirklich interessant. Zudem habe ich entspannte Arbeitszeiten von 12:00 - 20:00 (okay dafür auch an den Wochenenden aber das Radioprogramm ist für mich mehr Hobby als Arbeit) und ich kann in 20 Minuten hinlaufen… was will man mehr?

Sonntag, 1. Februar 2015

Reise nach Potosí und Sucre

Da wir zu unserem Zwischenseminar ins 12 Stunden entfernte Sucre reisen mussten, entschieden wir uns, davor noch zwei Tage in der nahegelegenen Stadt Potosí zu verbringen. 
 
Potosí, für Einige Reichtum für Andere das Tor zur Hölle
Da ich bevor ich den ersten bolivianischen Reiseführer in der Hand hielt weder im Geschichts- noch Spanischunterricht von Potosí und den Silberminen gehört hatte, die Geschichte dieser Stadt aber sehr interssant ist, vorab ein paar allgemeine Infos:

im Hintergrund der Cerro Rico
Über Jahrhunderte war Potosí die reichste Stadt der Welt. Den Reichtum verdankte die Stadt dem 4800 Meter hohen Cerro Rico, dem „Reichen Berg“, der die Stadt überragt und einst voller Silberadern war. Gegründet wurde die Stadt 1545, kurz nachdem erstmals Silber gefunden wurde. Sobald die Spanier davon erfahren hatten, begann die Ausbeutung des Berges und es wurden ganze Dorfschaften gezwungen in den Bergstollen zu arbeiten. Dabei half den Spaniern das inkaische System der mita, nachdem jeder Untertan einen Arbeitsdienst zu leisten hatte. Die Dörfer wurden verpflichtet jedes Jahr 13.500 Männer für die Arbeit in den Minen zur Verfügung zu stellen. Innerhalb weniger Jahrzehnte wuchs Potosí zur größten Stadt des amerikanischen Doppelkontintents heran. 1650 lebten dort 160.000 Menschen – mehr als damals in Madrid, Rom oder Paris. Drei Jahrhunderte lang füllte der Reichtum des Cerro Ricos die Staatskassen Spaniens, bis heute gilt Potosí als „die Stadt, die der Welt am meisten gegeben hat“ – nämlich insgesamt 60.000 Tonnen Silber. Für die Indígena war Potosí dagegen der „Eingang zur Hölle“. Nur mit Hilfe des Kauens von Coca war die Arbeit überhaupt zu bewältigen und bis ins 18. Jh. starben mehr als 8 Millionen Menschen in den Minen. Die Spanier versuchten auch, afrikanische Sklaven in den Minen einzusetzen, diese konnten sich jedoch nicht an die Höhe anpassen und wurden daraufhin auf Plantagen in den Yungas verfrachtet.
Im 18. Jahrhundert waren die Silbervorkommen des Berges weitgehend ausgebeutet, die Umgebung durch das eingesetzte Quecksilber verseucht und Potosí versank in der Bedeutungslosigkeit.
Auch wenn sich der Abbau der wenig verbliebenen Silber- und Zinnadern inzwischen kaum noch lohnt arbeiten heutzutage immer noch Tausende unter katastrophalen Bedingungen in den Minen.  An den Arbeitsmethoden hat sich im Laufe der Jahrhunderte kaum etwas verändert. So wie früher werden auch heute noch in Handarbeit und mit Dynamit Stollen in den Berg getrieben, und bis heute kauen die Arbeiter unentwegt Cocablätter, um die harte Arbeit durchhalten zu können. 

das koloniale Zentrum stammt noch aus der Blütezeit der Stadt
In dieser Stadt also kamen wir nach nächtlicher Busfahrt am frühen Morgen des 15. Januars an. Nach einem sich ewig ziehenden Fußmarsch vom Terminal ins Zentrum war erst einmal ein ordentliches Frühstück nötig, bevor wir das koloniale Stadtzentrum erkundeten und das Casa de la Moneda (Haus der Münzen) besuchten, wo einst das Silber aus den Minen zu Münzen geprägt wurde. 

Nachmittags fuhren wir zum Oja del Inca (Auge des Incas), einer nahegelegene heißen Quelle zum Baden. Da ich mich irgendwie nur auf eine schön warme Woche in Sucre eingestellt hatte und nicht realisiert hatte, dass Potosí auf 4500 Metern liegt und es dementsprechend nicht unbedingt ganz so warm ist, kam mir das Baden im angenehm warmen Wasser gerade recht.

Am nächsten Tag stand dann der Besuch der Minen an. Nachdem wir von Kopf bis Fuß in quietschgelber Schutzkleidung stecken, hielten wir erst auf dem „Mercado Minero“, wo wir als Mitbringsel für die Minenarbeiter Coca, Saft und Dynamit kauften. Danach fuhren wir an immer ärmer werdenden Häusern hinauf zum Cerro Rico, zu einem der vielen Eingänge zu den Minen.
Wir betraten die Mine und sofort wurde mir klar, dass dies nicht vergleichbar sein sollte mit dem Besuch eines deutschen Salzbergwerkes den ich noch in Erinnerung hatte. In den Minen war es dunkel, eng und stank nach Schwefel. Es war schwer zu atmen und wir mussten gebückt gehen, teilweise kriechen. Die „Abstützungen“ zu sehen die es teilweise gab war auch nicht gerade beruhigend, ich hoffte nur, heil wieder rauszukommen.
Die Tour begann bei dem „Tio“, einem Gott der aus dem Glauben der Indígenas stammt, und trotz Christianisierung noch heute für die Minenarbeiter sehr wichtig ist und durch Opfergaben (Zigaretten, Alkohol, Coca) milde gestimmt wird. 
der "Tio"
Von dort krochen/ stapften wir weiter durch den Berg, vorbei an alten Karren zum Transport des Gesteins und passierten Stollen, die aus einem anderen Jahrhundert zu sein schienen. Da Samstagnachmittag war, verließen nur noch ein paar einzelne Arbeiter die Stollen doch es sind immer noch Tausende die in den Minen arbeiten. Darunter auch viele Jugendliche (> 12 Jahre ) und die Geschichten die uns unser Guide über die Arbeiter und Arbeitsbedingungen erzählte waren erschreckend.
Ich war ehrlich gesagt ziemlich froh, als wir wieder aus den Minen draußen waren, nicht nur weil es bedrückend, eng und staubig war, sondern auch weil keiner wirklich sagen kann, wie stabil der Berg überhaupt noch ist.

Sucre
Nach einer dreistündigen Fahrt durch schöne Berglandschaft kamen wir Sonntagmittag in Sucre an. Die konstitutionelle Hauptstadt gilt zurecht als schönste Stadt des Landes, die Häuser im Zentrum sind mit ihren weißen Fassaden und roten Dächern ganz anders als die ungestrichenen Backsteinhäuser in La Paz und Sucre ist viel geordneter, ruhiger und sauberer. Irgendwie so gar nicht bolivianisch. Dort trafen wir dann auch die übrigen Freiwilligen (zumindest die 30 der Augustgruppe) aus Santa Cruz und Sucre und was sofort sichtbar wurde ist der Klimaunterschied des Landes: Wir aus La Paz genossen in kurzen Hosen und T-Shirts die Wärme während den Leuten aus Santa Cruz kalt war :D 
Zwischenseminar
Nachdem wir einen Tag lang Sucre erkunden konnten, ging es Montagmorgen zu unserem Seminarhaus, das ca. 10 Kilometer außerhalb der Stadt lag. Einmal abgesehen von der schönen Lage und dem guten Essen (kein Vergleich zum Vorbereitungsseminar  :D) war es unglaublich schön alle  wiederzusehen, sich auszutauschen und über Hoch und Tiefs des vergangenen halben Jahres zu reden. Ich fand es beispielsweise interessant (aber sehr schade) zu hören, dass die anderen Freiwilligen in methodistischen Kindergärten genau die gleichen Probleme wie ich hatten (bzw. haben) und dass der Ablauf dort genauso unstrukturiert und die Erzieher genauso unmotiviert und ohne Ausbildung sind wie ich es in La Paz erlebt habe.
Highlight der Woche war eine Wanderung zu den nahegelegenen Siete Cascadas (7 Wasserfällen) wo wir klettern und baden konnten sowie die Streichaktion am letzten Tag, wo wir auch die 25 Leute der Septembergruppe trafen, die ihr Seminar eine Woche nach uns hatten, um gemeinsam einen Spielplatz und ein Hausaufgabenzentrum zu streichen und einen Garten anzulegen sowie das Außengelände zu entmüllen. Nach diesem schönen Abschlusstag und einer recht langen Nacht in Sucre schliefen wir Sonntag erst einmal aus und genossen noch einen schön warmen Tag in einem der Parks in Sucre bevor es über Nacht wieder zurück nach La Paz ging.